Selbstmumifizierung

Die Selbstmumifizierung ist eine Tätigkeit aus Ostasien, die teilweise mit der ägyptischen Mumifizierung übereinstimmt, jedoch von der Person selbst durchgeführt wird. Diese im buddhistischen Brauch auch als Sokushinbutsu bezeichnete Praxis hat ihre Ursprünge in der Shingonshu-Schule, die in der Technik einen Weg sahen, in das Nirwana zu gelangen.

Um die Erleuchtung zu finden, fügen sie sich in einem rituellen Prozess extreme Schmerzen zu und verleugnen sich selbst, um auf diese Art und Weise Teil des Buddha-Wesens zu werden. Diese Art der Selbstmumifizierung wurde in Nordjapan, in der Präfektur Yamagata praktiziert, bis 1903 trotz des staatlichen Verbots der letzte bekannte Anwender verstarb. Noch immer findet man Nutzer der Technik aber in diversen buddhistischen Tempeln und Klöstern der Glaubensrichtung.

Buddhistische Selbstmumifizierung – Ein Weg zur Erleuchtung?

Das im Westen als solcherart verstandene Ziel des Buddhismus ist ein Eingehen ins Nirwana, der Ausbruch aus dem Kreislauf von Wiedergeburt und Reinkarnation sowie der Aufgabe des Karmas. Anders als im Hinduismus ist nicht das Ziel das Karma auszugleichen, sondern sich vollständig von diesem zu lösen. Die japanische Variante der Selbstmumifizierung wurde von dem 835 verstorbenen spirituellen Lehrmeister Kuukai  entwickelt und verbreitet.

Ablauf des Sokushinbutsu der Shingonshu-Schule:

  • Extreme Diät (Kieferrinde, Nüsse, Gras, oä.)
  • Selbstkasteiung / Selbstverletzung (Bspw. Stundenlange Meditationen unter Wasserfällen)
  • Einnahme von konservierenden Gifte gegen Zersetzung durch Maden
  • Einkerkerung in einer Gruft
  • Tausendtägige Fastenzeit im Lotussitz
  • Versiegelung der Gruft nach mutmaßlichem Tod
  • Öffnung des Grabes nach Fristablauf
  • Präsentation der Mumie als Buddha (Spiritueller Meister)

Solche Mumien wurden entweder für Pilger ausgestellt – bisweilen wurde sie jedoch auch in Buddhastatuen gelegt, um dort drinnen zu verweilen und zu konservieren. Aufgrund der Schmerzen und der gefährlichen Prozedur ist die Technik staatlich verboten, dennoch suchen gerade in der Mongolei jährlich tausende Pilger nach Inspiration, Erleuchtung und Trost an diesen Mumien.

Ein Großteil der Gläubigen sowie der russischen Wissenschaftler, die an den selbst mumifizierten Mönchen forschen, sind davon überzeugt, dass diese tatsächlich noch viele Anzeichen lebender Personen aufweisen, wie Reaktionen und sehr langsame Bewegungen. Auch ist die gute Erhaltung schwerlich bis nicht möglich nachzuvollziehen, dies könnte sich aber noch in der Zukunft ändern.

Mithilfe weiterer gefundener Mumien soll das Rätsel um die angebliche Lebendigkeit der Sokushinbutsu-Mumien gelüftet werden, die jährlich eine sehr hohe Anzahl an Menschen an ihre Gräber ziehen und die in vielen buddhistischen Tempeln und Klöstern ausgestellt werden.

Selbstmumifizierung, um dem Samsara zu entfliehen

Das Samsara ist der Kreislauf von Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt im Buddhismus. Das Ritual des Sokushinbutsu zählt in den östlichen Kulturen nicht als Selbstmord, sondern eher als asketische Erfahrung und Selbstreinigung. Die den Menschen belastenden Elemente werden abgestreift und nur das, was der wahren Erleuchtung gütlich ist, bleibt. Diese Erleuchtung liegt im Ausbruch aus dem Samsara.

Vielfach herrschen im Westen falsche Auffassungen über den Buddhismus, der dort zu einer rein esoterischen-spirituellen Denkrichtung verkürzt oder von prominenten und Influencern genutzt wird, um das Ziel von Selbstoptimierung und Wiedergeburt anzupreisen. Genau das Gegenteil ist jedoch das Ziel der Mumifizierten, denn die Wiedergeburt ist keine Gnade, sondern eher Strafe.

Dieser falsche Wohlfühlbuddhismus mit Versatzstücken des Hinduismus diffus vermischt, verkennt das eigentliche Ziel der Religion, nämlich den Ausbruch aus dem Samsara und das Aufgehen bzw. das Eingehen ins Nirwana. Das Ich wird nicht auf ewig konserviert, sondern erlöscht, es geht im Sein der Gesamtheit der Dinge auf.

Verlängert das Sokushinbutsu das Leben?

Sokushinbutsu-samsara-arhatAuf den ersten Blick mag es sich, insbesondere wenn man den Ablauf des Rituals studiert hat, eher kontraproduktiv anhören, das eigene Leben durch die Anwendung dieses Rituals zu verlängern. Das Sokushinbutsu wird von seinen Anhängern aber auch als Beweis des Bruchs mit der Welt gesehen. Die Faktoren wie Wollen, Sehnsucht, Liebe, usw. vergehen in dem Zustand der Arhatschaft.

Wie oben erwähnt sind die Gläubigen sich sicher, dass sie Lama und Buddha-Meister diese Fähigkeiten besitzen. Während der Ausgrabung der Mumie wurde auch deutlich, dass die Leichname mindestens 166 Jahre alt und aufgrund der Unterdrückung des Buddhismus im Sowjetkommunismus vor dem Jahr 2002 nicht exhumiert werden konnten. Aufgrund der mit dem Ritual verbundenen Schmerzen sollte es jedoch nicht zur Nachahmung versucht werden.

Dieser Glauben begründet sich auf den besonderen Eigenschaften, die Menschen im Zustand des Arhat aufweisen sollen, denn diese sind bereits im Leben von dem „Fluch“ der Wiedergeburt befreit, zugleich aber schon Teil der jenseitigen Welt. Eine solche Person gilt im Buddhismus als lebender Heiliger, denn zwar wird er von der materiellen Welt berührt, bleibt aber zugleich vollkommen von ihr unberührt.

Selbstmumifizierung in der wissenschaftlichen Analyse

Das Thema der Selbstmumifizierung hat auch die Aufmerksamkeit diverser wissenschaftlicher und akademischer Kreise errungen, die sich mit dem Thema auseinandersetzten. Im Zuge dessen entstanden auch äußerst medienwirksame Dokumentationen des ZDF in Kooperation mit russischen Universitäten und tibetanischen Stellen über die gefunden Mumien der buddhistischen Mönche.

Diese Dokumentationen von Selbstmumifizierungen erreichten viele Menschen und in der spirituellen Szene gab es eine große Resonanz auf die besonderen Merkmale der mumifizierten Leichen, besonders da diese auf dem Schwarzmarkt in der Mongolei angeboten wurden und von den Behörden vor einem Verkauf gerettet werden musste. Diese Mumien wurden im Anschluss rasch das Ziel vieler gläubiger buddhistischer Pilger.